Rostocker forschen an einer neuen Stent-Generation
Verbundforschungsförderung für weltweit gefragte Biomedizinprodukte
Rostock-
Warnemünde (mwat) • Wirtschaftsminister Jürgen Seidel hat heute in Rostock den Startschuss für das bislang größte Verbundforschungsprojekt im Rahmen der 2007 neu ausgerichteten Landesförderung gegeben. An dem Vorhaben des 1998 gegründeten Medizintechnikunternehmens CORTRONIK GmbH in Warnemünde sind insgesamt fünf Forschungspartner aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. Es geht um die Entwicklung eines medikamentenbeschichteten Stents, der sich nach einer gewissen Zeit im Gefäß selbst rückstandslos auflöst. "Das ist eine weltweit gefragte Neuentwicklung und ein großer Schritt für die Herzmedizin", sagte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel. Die Laufzeit des Projektes beträgt drei Jahre. Das Projektvolumen für das Unternehmen beträgt rund 8 Millionen Euro, für Hochschulen und Forschungseinrichtungen 2,6 Millionen Euro.
Neben der federführenden CORTRONIK GmbH sind das Warnemünder Institut für Implantattechnologie und Biomaterialien e.V., die Hochschule Wismar mit dem Institut für Oberflächen- und Dünnschichttechnik, die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mecklenburg-Vorpommern GmbH Rostock sowie die Universität Rostock mit dem Institut für Biomedizinische Technik und die Universität Greifswald mit ihrem Institut für Pharmakologie und dem Institut für Pharmazie in das Verbundvorhaben "TheraNova - Neuartige Transkatheter-Therapien - Innovative Technologien, Materialien und Prozesse" eingebunden.
"Ebenso wichtig wie finanzielle Mittel sind verlässliche Partner, die die Anwendung von neu zu entwickelnden Verfahren und Produkten ermöglichen. Die CORTRONIK GmbH hat solche Partner. Die beiden Universitäten, eine Hochschule des Landes und zwei Forschungseinrichtungen sind in dem Verbund vertreten", so Seidel weiter. "Nach und nach wurden Medizinprodukte entwickelt, internationale Märkte erobert und die Kapazitäten erweitert. Heute hat die CORTRONIK GmbH 152 Mitarbeiter. Mit dem neuen Projekt sollen weitere hochwertige Arbeitsplätze entstehen", betonte der Wirtschaftsminister. "Genau das ist Sinn und Zweck unserer Verbundforschungsförderung. Wir wollen den Fachkräften im Land Perspektiven aufzeigen, hierzu gehören attraktive und wissensbasierte Jobs in Mecklenburg-Vorpommern."
Der erste Metallstent, der Medikamente abgibt und sich komplett auflöst
Das Projekt der CORTRONIK GmbH beinhaltet die Entwicklung neuartiger Stents (Gefäßstützen) für das Herz-Kreislauf-System, die zum einen biologisch abbaubar und zum anderen medikamentenbeschichtet sind. Bei diesen neuen Gefäßstützen sorgen auf die Implantatoberfläche aufgebrachte und im Körper abgegebene Medikamente dafür, dass Verletzungen, die durch die Einführung selbst geschehen können, an Ort und Stelle behandelt werden. Darüber hinaus lösen sich die implantierten Stents nach einer bestimmten Zeit selbst auf. Das Implantat übernimmt nach dem Einsatz eine Stützfunktion und baut sich später, wenn das Gefäß gekräftigt ist, selbstständig wieder ab. Weitere Schwerpunkte liegen zudem in der Entwicklung spezieller Fertigungsverfahren (Laser-Mikrobearbeitung, Gasphasenabscheidung) und Prüfmethoden für diese Modelle.
Das Warnemünder Institut für Implantattechnologie und Biomaterialien e.V. (www.iib-ev.de) ist als einer der fünf Verbundpartner im Projekt für die Etablierung von Prüf- und Analyseverfahren für die neuartigen Transkatheter-Therapieplattformen verantwortlich. Das Teilprojekt der Hochschule Wismar (www.fz-wismar.de) verfolgt die Prozessentwicklung zur Fertigung mikroporöser Oberflächenschichten für vaskuläre Stents mit Medikamentenbeschichtung. Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mecklenburg-Vorpommern GmbH in Rostock (www.slv-rostock.de) arbeitet dabei an einem innovativen Verfahren zur Herstellung neuartiger Stents mit speziellen metallischen Legierungen und Kunststoffen. Die Hauptaufgabe besteht unter anderem in der Schaffung neuer, extrem feiner Stentstrukturen im Bereich von wenigen 10 Mikrometern (µm). Ziel der gemeinsamen Forschergruppe an der Universität Rostock (www.ibmt.med.uni-rostock.de) und der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (www.medizin.uni-greifswald.de/pharmako und www.uni-greifswald.de/~pharma) ist die Grundlagenentwicklung im Bereich abbaubarer Stentplattformen und Ballonkatheter mit aktiven Beschichtungen.
Weltweiter Zukunftsmarkt
Seit mehr als 20 Jahren werden Stents als minimal invasive Alternative in der Gefäßchirurgie eingesetzt, um verschlossene Arterien zu behandeln. Der Stent, ein strukturiertes Röhrchen aus Metalllegierungen oder Polymeren, wird mittels eines Ballonkatheters im betroffenen Bereich der Arterie expandiert, um den Blutfluss wieder herzustellen. Alle heute zugelassenen Stents haben den Nachteil, dass ein permanenter Grundkörper im Gefäß verbleibt und potenziell zu Entzündungsreaktionen und somit ernsthaften Komplikationen führen kann. Bezüglich der auflösbaren (resorbierbaren) Stents existieren nur sehr wenige klinische Daten und Studien. Die Kombination aus sowohl biologisch komplett abbaubaren als auch arzneimittelbeschichteten Metallstents ist eine Neuentwicklung.
Der Weltmarkt für Medizintechnologien hat nach Schätzungen ein Volumen von 220 Mrd. Euro. Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte nationale Markt in diesem Bereich. Der Bedarf des Gesundheitsmarktes an innovativen Therapieverfahren und neuen Medizinprodukten ist enorm. Gerade die Bereiche der biofunktionalisierenden Implantatoberflächen und bioabsorbierbaren Materialien haben ein sehr großes Marktpotenzial. In der modernen Kardiologie und Radiologie gewinnt gerade der Anteil an minimal-invasiven und patientenschonenden Therapieverfahren rasant an Bedeutung. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sind mit ca. 50 Prozent eine der häufigsten Todesursachen. Laut Deutscher Herzstiftung werden in Deutschland etwa 270.000 Stents pro Jahr bei Herzpatienten eingesetzt.
Seit 2004 konnte die Cortronik GmbH den Absatz von konventionellen Stents durchschnittlich um 15 Prozent jährlich steigern. Im vergangenen Jahr produzierte das Rostocker Unternehmen einige hunderttausend Stents. "Für die Schaffung von zukunftsorientierten Arbeitsplätzen wurde in der laufenden EU-Förderperiode erstmals die Forschungsförderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) ermöglicht", sagte Wirtschaftsminister Seidel. In der EU-Förderperiode 2007 bis 2013 steht ein hohes und verstärktes Fördermittelbudget für Forschung und Entwicklung in Höhe von insgesamt 155 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung. Im Zeitraum von 2008 bis 2010 wurden 204 Verbundprojekte in Forschung und Entwicklung gefördert. Von 2007 bis 2010 wurden insgesamt 91,2 Millionen Euro für 516 Forschungsprojekte (Gesamtzahl: Verbundvorhaben und einzelbetriebliche Vorhaben im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation) und 11 Netzwerkvorhaben bewilligt.
Quelle: HRO-News.de | Rubrik: Wirtschaft | Fr., 16.01.1970 - 01:41 Uhr | Seitenaufrufe: 529« zurück zur News-Übersicht